Es waren die frühen 80er Jahre, als Anne Wulf als Tochter eines Bremer Möbelhändlers sich entschied, nicht in die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten. Für sie war finanzielle Unabhängigkeit immer wichtig und so entschloss sie sich für ein Betriebswirtschaftsstudium.
Als sie nach dem Studium als freie Mitarbeiterin für eine Bausparkasse tätig wurde, stellte sie fest, wie einseitig die Vermögen verteilt waren. Die hohen Lebens-, Renten- und Bausparverträge hatten die Männer für sich abgeschlossen. Der kleine Bausparvertrag über die vermögenswirksamen Leistungen lief auf die Frau. „Geld sei nicht ihr Thema“ bekundeten die Frauen immer wieder und die Männer sagten „Frauen haben doch sowieso kein Geld“. Das wollte sie ändern und gab ihr den Antrieb, das Thema anzupacken.
Schnell stellte sich heraus, dass es noch andere Frauen gab, die sich für die Rechte der Frauen einsetzten und sich für sie stark machten. Die Frauen waren zudem bereit, sich selbständig zu machen und so gründete sie, gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin, Karin Kaltenberg -Wulf in Bremen ein gemeinsames Unternehmen. Darüber hinaus bauten sie ihr Frauen-Netzwerk auf.
Neben ihrer Leidenschaft für Möbel, entdeckte Anne auch den Bereich der Immobilien für sich. Bei einem Immobilienfinanzierungsspezialisten hat sie von den „Großen“ gelernt, wie Immobilien im Hinblick auf den Wert eingeschätzt, finanziert und verkauft werden.
Alles Wissen stellte sie in ihrem neuen Unternehmen nun vor allem dem weiblichen Geschlecht zur Verfügung. Die Frauen konnten lernen, unabhängig von (ihren) Männern eigenes Vermögen aufzubauen und ihr Leben wirtschaftlich unabhängig von einer Beziehung selbst zu gestalten.
Ihr Finanzberatungsunternehmen „das finanzkontor“ wuchs schnell und schnell machte sich in Bremen einen Namen, vor allem unter den Frauen! Karin übte weiter auch ihren Beruf als Psychotherapeutin aus und unterstützte Anne vor allem bei den kaufmännischen Themen und bei der Betreuung des stetig wachsenden Kreises von Mitarbeiterinnen.
Als in der Zeitschrift „Brigitte“ ein Artikel über das finanzkontor, damals noch in Bremen, erschien, meldeten sich engagierte Kolleginnen aus Hamburg, Berlin, Bonn und Köln. Aus diesen Kontakten entstand nach einem Treffen am Emma-See in Bremen 1988 der Arbeitskreis der „FinanzFachFrauen“, der bis heute besteht: www.finanzfachfrauen.de
Von da ab fanden regelmäßig 2 x jährlich für zwei Tage ein Treffen mit regem fachlichem Austausch statt. Immer mit dem Ziel vor Augen, mehr für die Frauen bewirken zu können. Es wurden eigene Weiterbildungen zu aktuellen Themen mit erfahrenen Referentinnen organisiert– und so kamen sie Schritt für Schritt voran im Auftrag der Frauen.
Nach dem Fall der Mauer zog es das Paar dann vom kleinbürgerlichen Bremen in die Großstadt. In Berlin wollten sie ihre ehrenamtliche Arbeit für lesbische und benachteiligte Frauen weiter ausbauen … und mit der Finanzberatung alles etwas kleiner halten. Sie verkauften den Geschäftsbetrieb in Bremen und fingen in Berlin Anfang 2000 noch einmal ganz von vorn an. Dank bestehender Kontakte zu Steuerberaterinnen, Anwältinnen und Freundinnen sowie aktiver Netzwerkarbeit war das finanzkontor in Berlin schnell erfolgreich und entwickelte sich.
Und nicht nur ihre gesellschaftlichen Aktivitäten trugen reiche Früchte. Die Beratungsunterstützung wurde durch die Berlinerinnen so rege nachgefragt, dass der Kreis der Mitarbeiterinnen in Berlin schnell die Größe des alten Bremer Teams überstieg. Im Immobilienbereich wurde ein Maklerunternehmen gegründet, weil Anne ihre Leidenschaft für Baugruppen entdeckte, eine spezielle Form des kooperativen Wohnungsbaus, die den Mitgliedern mehr Gestaltungsfreiheit und Kostenvorteile bietet.