Frau Wulf, wie kam damals die Idee an „Finanzberatung für Frauen“?
Für mich war finanzielle Unabhängigkeit immer wichtig. Als ich nach dem Betriebswirtschaftsstudium als freie Mitarbeiterin für eine Bausparkasse tätig wurde, stellte ich fest, wie einseitig die Vermögen verteilt waren. Die hohen Lebens-, Renten- und Bausparverträge hatten die Männer für sich abgeschlossen. Der kleine Bausparvertrag über die vermögenswirksamen Leistungen lief auf die Frau. „Geld sei nicht ihr Thema“ bekundeten die Frauen immer wieder und die Männer sagten „Frauen haben doch sowieso kein Geld“ – das wollte ich ändern und das gab mir den Antrieb, das Thema anzupacken.
Gab es noch andere Frauen, denen das Thema wichtig war und die bereit waren, sich selbständig zu machen?
Zeitschrift „Brigitte“ ein Artikel über das finanzkontor, damals noch in Bremen, erschien, riefen uns engagierte Kolleginnen aus Hamburg, Berlin, Bonn und Köln an. Aus diesen Kontakten entstand nach einem Treffen am Emma-See in Bremen 1988 der Arbeitskreis der „FinanzFachFrauen“, der bis heute besteht: www.finanzfachfrauen.de
Wir trafen uns regelmäßig 2 x jährlich für zwei Tage für regen fachlichen Austausch und mit dem Ziel, mehr für die Frauen bewirken zu können. Wir organisierten unsere eigene Weiterbildung zu aktuellen Themen – dazu luden wir Referentinnen und Referenten ein und kamen Schritt für Schritt voran im Auftrag der Frauen.
Wie kam das finanzkontor nach Berlin?
Nach dem Fall der Mauer wollte meine Frau zurück in ihre Heimatstadt – das war der Auslöser. Die Umsetzung dauerte 4 – 5 Jahre. Dann erfolgte der Umzug nach Berlin. Nach einer kurzen Übergangsphase fanden wir Büroräume in der Kulmbacher Straße in Berlin Schöneberg.
Dank bestehender Kontakte zu Steuerberaterinnen, Anwältinnen und Freundinnen sowie aktiver Netzwerkarbeit war das finanzkontor in Berlin schnell erfolgreich und entwickelte sich.
Eine Besonderheit in dieser Zeit war das zunehmende Interesse der Frauen am Aktienmarktgeschehen. Hieraus entstand die Idee, in Zusammenarbeit mit einer Berliner Bank, Frauen-Aktien-Clubs zu gründen. Als ich die Arbeitsräume sah, die uns die Bank für das Initiativtreffen zur Verfügung stellte, war ich der Meinung, dass sie nicht ausreichen würden. Das stieß bei den Bankmitarbeiterinnen der Bankzentrale auf Unverständnis. Es kamen tatsächlich über 100 Frauen und der Raum war hoffnungslos überfüllt. Es wurden sofort weitere Treffen vereinbart und es gründeten sich hieraus diverse Frauen-Aktien-Clubs, wie z.B. die „Golden Girls“ und viele mehr. Die Clubmitglieder beschäftigten sich mit dem Wirtschaftsgeschehen, analysierten Finanzdaten der Unternehmen, um dann ihre Anlageentscheidungen zu treffen und weiterzugeben.
Doch viele Frauen benötigten auch Beratungsunterstützung und so wuchs unser Unternehmen in Berlin wieder sehr schnell. Nachdem die ersten Räume zu klein wurden, gibt es das finanzkontor seit 2014 im Büro am Bayerischen Platz in der Landshuter Straße 22 mit einer Dependance in Mitte in der Anklamer Strasse (Weiberwirtschaft).
Frau Wulf, nun sind sie ja seit Ende 2016 mit Ihrer Frau Karin Kaltenberg-Wulf in Ihrem wohlverdienten Ruhestand und haben nun ein wenig Abstand zu Ihrer damaligen über 30-jährigen Beratungstätigkeit. Wie blicken Sie auf die aktuelle Weiterentwicklung des Unternehmens, die ja nicht nur von einem Frauenteam, sondern nun auch von einem Mann getragen wird?
gewachsene Team. Alle Mitarbeiterinnen, außer denen, die ebenfalls in den Ruhestand gegangenen sind, führen das Unternehmen erfolgreich weiter. Durch den „Mann im Team“ bekommt das Frauenteam neue Impulse. Andreas Korth bringt eine hohe Fachkompetenz insbesondere Qualifikationen im Bereich ökologisch/ethischer Geldanlagen und große Offenheit in Frauenfragen mit.